Wikileaks-Anhänger legen Webseiten lahm:"Anonymous" zieht in den Krieg

Gemeinsam gegen Paypal, Amazon und Co.: Junge Hacker kämpfen mit rabiaten Methoden für Wikileaks und gegen vermeintliche Feinde des Portals. Was treibt sie an?

Johannes Boie

Erst ist es eine kleine Welle. Dann kommt noch eine Welle dazu und dann noch eine und noch eine und noch eine. Am Ende türmt sich die Wand kilometerhoch - und auf was auch immer sie trifft, sie wird es unter sich begraben.

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Wikileaks-Seite auf Notebook-Bildschirm: Sie sind nicht zu stoppen.

(Foto: AFP)

Nach diesem Prinzip funktionieren die Angriffe auf zahlreiche Webseiten, die seit Dienstag Finanzdienstleister wie Paypal oder Visa unter Druck setzen. Ihre Computer wurden mit immer mehr Zugriffen konfrontiert, bis sie zusammenbrachen.

In der Fachsprache heißen diese Attacken Denial of Service ("Dienstverweigerung"), weil sich die Rechner weigern, die zahlreichen Anfragen zu beantworten. Ein 16-jähriger Angreifer aus den Niederlanden wurde am Freitag wegen der Cyber-Angriffe verhaftet - ein Jugendlicher, der sich mit Großkonzernen anlegt. Was trieb den Jungen an?

Viele der attackierten Unternehmen hatten der Organisation Wikileaks in den vergangenen Tagen Probleme bereitet: Paypal hat zum Beispiel seinen Geldüberweisungsdienst für Spenden an Wikileaks gesperrt. Es liegt also nahe, dass sich eine Hackergruppe für Wikileaks einsetzt. Doch so einfach ist es nicht.

Von vielen der digitalen Attacken sind Daten im Netz veröffentlicht worden, zum Beispiel von Service-Unternehmen, die die angegriffenen Computer warten. Man kann diese Datensätze wie eine Art Kriegsprotokoll lesen.

Die digitale Generation protestiert

Sie geben Aufschluss über die Art und Planung der Angriffe. Und nicht nur diese Datensätze, sondern auch die Kommunikation in jenen Foren, die üblicherweise von Hackern genutzt werden, zeigen deutlich: Dies sind keine gebündelten, von oben organisierten Angriffe.

Stattdessen sind die Attacken der Protest einer weltweit agierenden, aber nur lose zusammenhängenden Internet-Community. Es ist eine digitale Generation, die hier protestiert: Der Jugendliche von nebenan zum Beispiel, der seinen Computer nach Schulschluss in eine digitale Waffe verwandelt. Weil es cool ist, aber auch weil er spürt, dass er für eine größere Sache kämpft.

Die meisten der Beteiligten dürften sogenannte Script-Kiddies sein - Nachwuchs also, der sich gerade mal gut genug auskennt, um Schadsoftware zu bedienen, die professionelle Hacker programmiert haben.

Den Kämpfern im Netz geht es nicht nur um die Verteidigung von Wikileaks, sondern um die Verteidigung ihrer Vision einer modernen, digitalen Gesellschaft: Daten sollen frei verfügbar sein, die Macht großer Konzerne beschränkt. Ihre fehlende Struktur bedingt einen Teil ihrer Stärke.

Politisiert und wütend

Niemand kann diese Generation zum Schweigen bringen: Löscht der Kurznachrichtendienst Twitter wie unlängst Kanäle, die zur Verbreitung von Hacker-Infos genutzt werden, weichen die Betroffenen einfach auf das nächste Kommunikationsinstrument aus. Führungspersönlichkeiten, die man verhaften könnte, gibt es nicht.

Wer mitmacht, identifiziert sich häufig mit der Protestbewegung "Anonymous", der genau wie dem Mann in ihrem Logo der Kopf fehlt. "Anonymous" ist nicht viel mehr als ein Schlagwort, unter dem sich die Politisierten und Aggressiven jener versammeln, die in den Achtzigern und Neunzigern geboren wurden.

Sie sind mit dem Netz aufgewachsen, und sie haben genug von Politikern, die Netzsperren fordern, von Unternehmen, die online zensieren, von Konzernen, die gegen Urheberrechtsverletzungen klagen und Staaten, die kritischen Veröffentlichungen mit politischem und juristischem Druck begegnen. Und sie sind nicht zu stoppen.

Lesen Sie hierzu Berichte in der Süddeutschen Zeitung.

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