Newsletter: Vieles ist für die Katz…

Obwohl 70 Prozent der deutschen Verbände die Marke beziehungsweise das Image des Verbandes schärfen und ausbauen möchten, dominiert beim Versand regelmäßiger E-Mail-Newsletter eine dafür unzureichende Technologie – nämlich der Versand über professionelle Online-E-Mail-Marketing-Services. Damit wird nicht nur Know-how außer Acht gelassen, das im Marketing großer Unternehmen zum Standard gehört. Es gibt auch prinzipielles ein Risiko in Sachen Datenschutz.

Eine Umfrage des Verbände-Reports erbrachte Zahlen, die nachdenklich stimmen sollten: 59 Prozent der befragten Verbände lassen ihre Newsletter von kommerziellen Dienstleistern versenden. Dies dürfte in vielen Fällen zunächst einmal aus datenschutzrechtlicher Sicht problematisch sein. Denn natürlich benötigt der Dienstleister die E-Mail-Adressen der Empfänger. In der Regel lädt der Kunde eines solchen Dienstleisters deshalb die Daten vor dem Versand auf den Webserver des Dienstleisters hoch. Damit erhält der Dienstleister Zugriff auf personenbezogene Daten. Dies ist nicht grundsätzlich verboten. Aber damit es nach DSGVO rechtmäßig ist, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

(1) Vertrag zur Auftragsverarbeitung
Erstens verarbeitet der Dienstleister nun im Auftrag des Kunden, hier also im Auftrag eines Verbands, personenbezogene Daten, wozu in jedem Fall ein Vertrag zur Auftragsverarbeitung gemäß Art. 28 DSGVO geschlossen werden muss. Dieser Vertrag muss individuell geschlossen werden und beispielsweise Art und Umfang der überlassenen Daten spezifizieren. Das geltende Recht erlaubt zwar den Abschluss auf digitalem Wege, jedoch bieten nicht alle Mailversand-Dienstleister einen solchen Vertrag an.

(2) Internationales Abkommen und Zertifizierung
Zweitens muss der Versanddienstleister entweder in der EU ansässig sein und damit automatisch der DSGVO verpflichtet sein oder bei ausländischen Dienstleistern müssen zwei weitere Voraussetzungen gegeben sein: Es muss ein verbindliches internationales Abkommen zwischen der EU und jenem Staat, in dem der Versender ansässig ist, über gemeinsame Regeln im Datenschutz geben. Im Falle der USA ist das der sogenannte Privacy Shield. Darüber hinaus muss aber der Versender nach dem entsprechenden Abkommen zertifiziert werden; er muss sich also nachweislich den (in der Regel gegenüber seinem Landesrecht strengeren) Datenschutzregeln des internationalen Abkommens unterwerfen.

(3) Datenschutzerklärung
In der Datenschutzerklärung muss der Nutzer darüber aufgeklärt werden, dass im Falle eines Newsletter-Abonnements seine Daten an den Dienstleister übergeben werden. Der Nutzer ist darüber aufzuklären, welche Maßnahmen der Verband unternommen hat, die Einhaltung des Datenschutzrechts zu gewährleisten. Üblicherweise wird dazu auf die Datenschutzerklärung des Dienstleisters verlinkt. Zudem ist explizit zu benennen, auf welcher Rechtsgrundlage die Daten an den Dienstleister übergeben werden – im Falle US-amerikanischer Dienstleister ist also das Privacy-Shield-Abkommen explizit zu nennen.

Es ist durchaus fraglich, ob all jene Verbände, die kommerzielle Versanddienstleister nutzen, bezüglich des Datenschutzes auf der sicheren Seite sind.

Strategie nur aus Absendersicht

Mindestens genauso problematisch ist aber eine anzunehmende strategische Schwäche bei der Nutzung von Versanddienstleistern. Da der Versand in aller Regel ein händisches Anlegen des Newsletters beim Versanddienstleister auf dem Server erforderlich macht, darf man davon ausgehen, dass wohl alle fraglichen Verbände nur einen einzigen Newsletter versenden, der für alle Empfänger identisch ist. Das kann man wohl bei einem Rundschreiben an alle Mitglieder so halten. Wenn aber, wie die Umfrage des Verbändereports ebenfalls ergab, sieben von zehn deutschen Verbänden um ein besseres Image, eine breitere Bekanntheit und ein präsenteres Markenbild bemüht sind – dann muss das bedenklich stimmen.

Denn aus dem Marketing ist seit Langem bekannt, dass inhaltlich individualisierte Newsletter eine bei Weitem bessere Wirkung haben als inhaltlich identische für jedweden Empfänger. Eine Studie ermittelte eine um 72 Prozent höhere Öffnungsrate, eine um 81 Prozent höher Klickrate auf die Links im Newsletter und einen um 412 Prozent höheren Umsatz, den ein inhaltlich stark individualisierter Newsletter auslöste. Man kann sich die Wirkung recht gut klar machen, wenn man an einen Textil-Webshop denkt: Sofern er Textilien für das jeweils andere Geschlecht bewirbt, wird der Newsletter für den Empfänger tendenziell uninteressant. Die Textilkette H&M individualisiert ihren Newsletter daher ebenso wie das Möbelhaus Ikea.

Man darf natürlich daraus getrost auch schließen, dass auch die Bereitschaft, einen individualisierten Newsletter zu abonnieren, bei der Zielgruppe deutlich höher sein wird. Das ist strategisch besonders wichtig, wenn man an seinem Image oder Markenbild arbeiten möchte. Denn gerade jene Newsletter-Abonnenten, die bereit sind, alles zu lesen, was ein Verband verbreitet, haben mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bereits ein relativ unverrückbares Bild von dem Verband. Sie sind nämlich höchstwahrscheinlich Stakeholder, die von sich aus besonders an dem Verband interessiert sind – entweder als Mitglieder oder als politische Entscheider oder auch als politische Gegenspieler.

Es ist daher wenig wahrscheinlich, dass der Verband auf diese Weise sein Image in der Öffentlichkeit verbessern kann. Das wäre ungefähr so, wie wenn eine Partei im Wahlkampf besonders um die Stammwähler anderer Parteien werben würde. Tatsächlich werden Wahlen mit Wechselwählern oder mobilisierten vormaligen Nichtwählern gewonnen. Und so ist es auch beim Image. Entscheidend bei einem solchen Bestreben ist es, neue Personenkreise zu erschließen, die noch keine feste Einstellung zu dem Verband haben, und zu versuchen, diese Personen von den Zielen des Verbands zu überzeugen. Und diese neuen Personenkreise erreicht man mit einem absenderorientierten Newsletter mit identischem Inhalt für alle Empfänger deutlich schwieriger als mit einem Newsletter, der genau jene Themen enthält, für die sich der Empfänger besonders interessiert.

Technisch lässt sich so etwas dadurch umsetzen, dass die Website nicht einen einzigen Newsletter anbietet, sondern unter Artikeln zu bestimmten Themen jeweils einen Newsletter zu dem gleichen Themengebiet. Beispielsweise bietet sich dazu eine Verschlagwortung der Artikel auf der Website an. Dem Nutzer wird dann angeboten, dass er per Newsletter ausschließlich Information zu dem entsprechenden Schlagwort zugesandt bekommt. Beim Versand wird dann der Newsletter für jeden Empfänger individuell aus den entsprechenden Inhalte zusammengesetzt und versendet.

Mit einem Versand über kommerzielle Dienstleister ist ein Versand solcher individualisierten Newsletter kaum machbar.

Geringer Effekt des Standard-Newsletters

Eine Auswertung der Nutzungsdaten eines großen deutschen Industrieverbands kommt zu dem Ergebnis, dass etwa knapp die Hälfte der per Anklicken des Newsletters auf die Website kommenden Besucher aus schlagwortbezogenen Newsletterexemplaren kommt. Man darf daher schätzen, dass ein nicht individualisierter Standard-Newsletter nur die halbe Reichweite erreicht, die mit einem individualisierten Newsletter möglich wäre. Dies steht auch mit den Zahlen aus der oben zitierten Marketing-Untersuchung im Einklang.

Für Imagebildung oder Markenbildpflege wären aber gerade die mit einem Standard-Newsletter nicht erreichten Personen von besonderem Interesse. Man muss bezüglich Imagebildung oder Markenbildpflege daher von einem äußerst geringen Effekt jener Newsletter ausgehen, die – wie bei 59 Prozent der deutschen Verbände üblich – mit kommerziellen Versanddienstleistern versendet werden.


Weiterführende Literatur zum Thema:

Ralf-Thomas Hillebrand (2018). Online-Kommunikation für Verbände: Wie Ihre Botschaften die Zielgruppen sicher erreichen und überzeugen. Wiesbaden: SpringerVieweg.

springer.com/verbaende-hillebrand