Verbänden fällt es oft – vor allem wegen begrenzter Ressourcen – schwer, Methoden und Techniken der Online-Kommunikation so versiert einzusetzen, wie das etwa im Marketing von Unternehmen im B2C-Bereich oder bei politischen Parteien im Campaigning gang und gäbe ist. Das führt jedoch dazu, dass manches Kommunikationsziel kaum oder gar nicht erreicht wird – und das eigentlich ohne Not. In der Verbandskommunikation kommt es immer wieder zu typischen Fehlern, die sich zum Teil sogar aus den Rahmenbedingungen der Interessenvertretung erklären lassen.
Die zehn gravierendsten Mängel dabei sind:
1. Mangelnde Vernetzung
Weit verbreitet ist die Illusion, dass alles, was online steht, öffentlich ist. Das ist nur theoretisch der Fall, denn die Zielgruppe schaut nicht jeden Tag auf der Verbandswebsite nach, ob dort etwas Neues zu finden ist. Der Verband muss seine Zielgruppen vielmehr aktiv darüber informieren, dass er etwas publiziert hat – etwa per E-Mail, RSS oder über soziale Netzwerke. Nur wenn er möglichst viele potenzielle Rezipienten für eine Vernetzung gewonnen hat, kann der Verband überhaupt online erfolgreich kommunizieren. Dieser Maßgabe werden viele Verbände kaum gerecht, besonders, wenn es darum geht, Zielgruppen zu erweitern.
2. User Journeys werden nicht bedacht
Der Weg der Nutzer auf der Verbandswebsite wird meist nicht vorausgeplant. Beispielsweise erweisen sich viele Artikel als Sackgassen: Ist man unten auf einer Seite angelangt, gibt es keine zusätzlichen Angebote, etwa zum Weiterlesen anderer Geschichten zum gleichen Thema. Fast überall fehlt unter den Texten auch jegliche Option, sich mithilfe eines Abonnements zu vernetzen. Das hat entsprechende Folgen für die künftige Reichweite der Website. Ein drastisches Beispiel sind PDF-Dateien, die für aktuelle Verbandsmitteilungen genutzt werden: Diesen fehlt sogar die Navigation der Verbandswebsite. Lesern bleibt also gar nichts anderes übrig, als nach der Lektüre eines Artikels abzuspringen.
3. Newsletter mit zu wenig Leser-Nutzen
Online-Kommunikation erfolgt oft absenderorientiert. Nur selten wird um Rezipienten geworben, indem ihnen Inhalte angeboten werden, die sie selbst als besonders nützlich ansehen – wie etwa Recherche-Tools, multimediale Angebote mit weiterführenden Erklärungen, interessante Downloads oder praktische Online-Software. Die Nützlichkeit (Utility) für den Leser ist also begrenzt. Dazu gehört auch, dass eine inhaltliche Vernetzung – etwa per Newsletter – nur selten bezüglich eines Themas oder Schlagworts möglich ist. Stattdessen sind auch Newsletter oft absenderorientiert: Dem Empfänger bleibt nicht viel mehr als anzunehmen, was der Absender anbietet. Die Folge: Vernetzung zwischen Absender und Empfänger findet viel zu selten statt.
4. Ignorieren von Suchmaschinentechnologie
Im Tagesgeschäft ignorieren Verbände oft die Funktionsweise von Suchmaschinen. Zu deren Geschäftsmodell gehört nämlich, dass sie den Menschen Inhalte zeigen, die diesen möglichst nützlich erscheinen; was ein einzelner Verband verbreiten möchte, interessiert dabei nicht. Deshalb haben es Inhalte im Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Leser sehr schwer, in denen Fakten mit umfangreichen Verbandsforderungen vermengt sind. Viel sinnvoller ist es, jeweils in einem Dokument möglichst relevante Inhalte anzubieten und von dort mit einem guten Teaser auf ein anderes Dokument mit den Verbandsforderungen zu verlinken. Zu bedenken ist hierbei auch, dass die Verlinkung der eigenen Homepage durch andere Websites die Suchmaschinenpositionierung fördert. Dennoch erstellen Verbände kaum Inhalte, die andere Websites zum Verlinken einladen – damit verschenken sie viele Chancen, im Netz überhaupt gefunden zu werden.
5. Kannibalisierung durch mehrere Websites
Viele Verbände erstellen für ihre Kampagnen jeweils eigene Websites. Das führt dazu, dass andere, externe Websites nicht mehr nur die Verbandswebsite verlinken, sondern auch die eigens für Kampagnen eingerichteten Seiten. Der positive Effekt, der durch Verlinkungen für die eigene Suchmaschinenpositionierung entsteht, wird hierdurch aber verwässert.
6. Falsche Semantik
Auch die Terminologie ist oft zu absenderorientiert. Beispielsweise findet man die Inhalte des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller zu der für ihn wichtigen Debatte um sogenannte Scheininnovationen per Suchmaschine praktisch nicht – weil der Verband aus politischen Gründen nur von “Analogpräparaten” spricht. Leider gelingt es vielen Verbänden nur bedingt, ihre Inhalte so aufzubereiten, dass die Zielgruppe sie bei der Recherche über Suchmaschinen mit ihren eigenen Suchbegriffen auch leicht findet.
7. Geringe Content-Usability
Die meisten Nutzer verlassen eine Website bei der Online-Recherche schon wieder nach wenigen Sekunden. Das liegt daran, dass viele Seiten – vor allem in dem Bereich, den man zuerst sieht – nicht erkennen lassen, dass sie nützliche Informationen für den User anzubieten haben. Gründe dafür sind unzureichende Bebilderung, schlechte Überschriften, fehlende Lead-Absätze und insgesamt ein schlechtes Layout. Viele Verbandswebsites lassen so mangels Content-Usability unnötig viele User wieder ziehen.
8. Keine Evaluation nach Zielgruppen
Verbände versuchen, mit vielen Zielgruppen zu kommunizieren, teilweise auch mit solchen, die den jeweiligen Verband noch gar nicht kennen. Zumeist evaluieren Verbände jedoch nur die Reichweite ihrer Online-Kommunikation insgesamt. Die Reichweiten oder gar das Erreichen bestimmter Aktionsziele bei einzelnen Zielgruppen werden nicht ermittelt. Folge: Die verbandseigene Filterblase wird oft stark unterschätzt – und mangelnder Erfolg in der Außenkommunikation nicht erkannt.
9. Technische Mängel
Technisch hinkt die Mehrheit der Websites von Verbänden jenen von Unternehmen oder politischen Organisationen weit hinterher. Oft verstößt der HTML-Code gegen technische Normen, immer wieder können Websites mit verschiedenen Endgeräten oder Browsern nicht oder nur bedingt genutzt werden, vielfach gibt es keine funktionierenden Schnittstellen zu sozialen Netzwerken, häufig sind Websites bei abgeschaltetem Javascript unbenutzbar und manchmal werden sogar die Sicherheitsupdates zur Abwehr von Hackern vernachlässigt. Gründe dafür sind meist unzulängliches Projektmanagement und Gratismentalität bei der Websiteentwicklung.
10. Rechtliche Angreifbarkeit
Viele Online-Präsenzen von Verbänden entsprechen nicht geltendem Recht – etwa im Hinblick auf die Impressumspflicht, eine korrekte Datenschutzerklärung, die Datenminimierung oder die Einholung eines wirksamen Einverständnisses der Nutzer zur Speicherung und Verwendung ihrer persönlichen Daten. Abgesehen von Abmahnrisiken oder gar Ärger mit Datenschützern setzen sich Verbände dadurch auch der Gefahr von öffentlichen Angriffen bis hin zu Shitstorms aus – was vor allem dann schweren Schaden anrichten kann, wenn man sich bereits aus einem anderen Grund mitten in einer Kommunikationskrise befindet. Verbände von Branchen, in denen Datenschutz eine wichtige Rolle spielt, setzen zudem die Glaubwürdigkeit ihrer gesamten Mitgliedschaft aufs Spiel.
Weiterführende Literatur zum Thema:
Ralf-Thomas Hillebrand (2018). Online-Kommunikation für Verbände: Wie Ihre Botschaften die Zielgruppen sicher erreichen und überzeugen. Wiesbaden: SpringerVieweg.
Diplom-Politologe, Strategieberater, Informationsarchitekt, Projektmanager, Speaker und Coach im Bereich der Politischen Online-Kommunikation – vor allem für Verbände und andere politische Institutionen. Website: www.politik-und-internet.de